Die Herzland-Theorie – Axiom der Rechtfertigung

Mit der wirt­schafts­geo­gra­phi­schen Leh­re zur Recht­fer­ti­gung des impe­ria­len Patrio­tis­mus des bri­ti­schen Empire begrün­det Mack­in­der den Eth­no­fa­schis­mus und insti­tu­tio­na­li­siert den hege­mo­nia­len Zie­len die­nen­den soge­nann­ten Menschenrechts‑, Demo­kra­tie- und Frei­heits­export, der bis in unse­re Tage im Inter­es­se inter­na­tio­nal agie­ren­der Finanz­eli­ten, wenn mög­lich als UN-Man­dat getarnt, voll­streckt wird.

Die Heartland-Theorie –
Axiom der Rechtfertigung des Strebens nach imperialer Ausdehnung und Hegemonie aufgrund der ‘Überlegenheit der angelsächsischen Rasse’

Im Gedenken der Toten, den Lebenden zur Mahnung

von Ste­fan Andre­as Gör­litz am 21. Febru­ar 2020

Wer war Halford Mackinder?

Hal­ford Mack­in­der (1861−1947) beein­flußt das geo­po­li­ti­sche Den­ken nicht nur im angel­säch­si­schen Bereich bis heu­te maß­geb­lich. Für Mack­in­der sind vor­nehm­lich die eura­si­schen Land­mäch­te eine Bedro­hung für die see­macht­ge­stütz­te welt­wei­te Vor­macht­stel­lung des bri­ti­schen Empire.

Er erfährt als Kind und Her­an­wach­sen­der wesent­li­che Prä­gun­gen durch die Bewe­gung für die impe­ria­le Ein­heit, die 1868 zur Grün­dung der Roy­al Colo­ni­al Socie­ty führt und in deren Fort­gang 1876 die Aus­ru­fung von Köni­gin Vic­to­ria zur Kai­se­rin von Indi­en folgt.

Sei­ne Stu­di­en beginnt Mack­in­der in Oxford 1880. Sein Den­ken erfährt vor allem wesent­li­che Ein­flüs­se durch die The­sen von Her­bert Spen­cer (1820−1903), der sich mit der ana­lo­gen Zuord­nung jüng­ster Erkennt­nis­se wis­sen­schaft­lich-bio­lo­gi­scher For­schungs­er­geb­nis­se auf die Leh­re in den Sozi­al­wis­sen­schaf­ten befaßt sowie durch die Theo­rien von Charles Dar­win (1809−1882). Spen­cer ver­öf­fent­licht 1876 und 1896 ein drei­bän­di­ges Werk Prin­zi­pi­en der Sozio­lo­gie. Er ent­wickelt dar­in die Leh­re der Prin­zi­pi­en der Soziologie:

Die Ten­denz, die wir heu­te in der mensch­li­chen Ras­se beob­ach­ten kön­nen, sich aus­zu­deh­nen und Gebie­te zu beset­zen, die von nie­de­ren Krea­tu­ren bewohnt sind, fin­den wir auch bei Orga­nis­men ver­schie­den­ster Art wie­der.”

Die von Mack­in­der for­mu­lier­ten Leit­bil­der fußen teils direkt auf der orga­ni­zi­sti­schen Theo­rie von Spen­cer bzw. Darwin:

Die Staa­ten­welt ist auf gefähr­li­che Wei­se inter­de­pen­dent, so wie es die leben­den Orga­nis­men in der Natur sind; die poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Bezie­hun­gen wer­den letzt­lich von Macht bestimmt. Die Macht strebt danach, stra­te­gisch wich­ti­ge Gebie­te zu erobern. Iso­la­tio­nis­mus ist dem­nach nicht lebens­fä­hig.

Im Den­ken Mack­in­ders fusio­nie­ren ein glü­hen­der impe­ria­ler Patrio­tis­mus im Gei­ste des bri­ti­schen Empire mit der orga­ni­zi­sti­schen Theo­rie Spen­cers zum fol­gen­schwe­ren Axi­om, mit dem Mack­in­der das Stre­ben nach impe­ria­ler Aus­deh­nung und Hege­mo­nie mit der Über­le­gen­heit der angel­säch­si­schen Ras­se rechtfertigt.

Mit der wirt­schafts­geo­gra­phi­schen Leh­re zur Recht­fer­ti­gung des impe­ria­len Patrio­tis­mus des bri­ti­schen Empire begrün­det Mack­in­der den Eth­no­fa­schis­mus und insti­tu­tio­na­li­siert den hege­mo­nia­len Zie­len die­nen­den soge­nann­ten Menschenrechts‑, Demo­kra­tie- und Frei­heits­export, der bis in unse­re Tage im Inter­es­se inter­na­tio­nal agie­ren­der Finanz­eli­ten, wenn mög­lich als UN-Man­dat getarnt, voll­streckt wird.

Mack­in­der zählt zu den Prot­ago­ni­sten des “libe­ra­len Impe­ria­lis­mus” wie den Ver­tre­tern des Kolio­na­lis­mus, Unter­neh­mern wie Cecil Rho­des (1853−1902), und füh­ren­den Köp­fen aus dem Bereich der Hoch­fi­nanz wie Alfred Mil­ner (1854−1925), von 1892 bis 1897 Vor­stand der Steu­er­in­lands­be­hör­de, danach Hoch­kom­mis­sar für das süd­li­che Afri­ka und Gou­ver­neur der Kapkolonie.

Mack­in­der betreibt im Zusam­men­wir­ken mit Ver­tre­tern der bri­ti­schen Finanz­eli­te die Aus­for­mung des “angel­säch­si­schen Glo­ba­lis­mus” jener Tage, gestützt und geför­dert durch anglo-ame­ri­ka­ni­sches Kapi­tal und die hege­mo­nia­le Macht des bri­ti­schen Empire.

Die Vor­stel­lun­gen des Fabia­nis­mus von Sid­ney Webb (1859−1947) sind die gei­sti­ge Basis bei der Grün­dung der Lon­don School of Eco­no­mics and Poli­ti­cal Sci­ence im Jahr 1895, deren Mit­be­grün­der Mack­in­der ist. Er unter­rich­tet Wirt­schafts­geo­gra­phie und steht der Uni­ver­si­tät von 1903 bis 1908 vor.

Bis heu­te ist sie ein Hort des atlan­ti­schen Globalismus.

Mack­in­der lehnt die iri­sche Auto­no­mie ab, tritt für die Kriegs­füh­rung gegen die Buren in Süd­afri­ka und für die geziel­te Auf­rü­stung gegen das Deut­sche Reich auf. Er tritt für die Abschaf­fung des Frei­han­dels und für die Ein­füh­rung einer Zoll­uni­on des bri­ti­schen Empire ein.

Ab 1910 ist er als Abge­ord­ne­ter im bri­ti­schen Unter­haus als Lob­by­ist des Rho­des-Trust tätig.

Die Ent­sen­dung bri­ti­scher Trup­pen nach Süd­afri­ka (1899−1902) und der Trans­port rus­si­scher Trup­pen in die Man­dschu­rei (1904) ver­mit­teln Mack­in­der die Erkennt­nis, daß die Vor­herr­schaft zur See (See Power) zur Erlan­gung und Auf­recht­erhal­tung einer Welt­herr­schaft unzu­rei­chend ist, die Über­le­gen­heit einer Land­macht (Land Power) mit den Mög­lich­kei­ten der moder­nen Tech­nik erlangt wer­den kann und daher zu kal­ku­lie­ren ist.

Mit die­ser Fest­stel­lung befin­det er sich im Wider­spruch zu den Fest­stel­lun­gen des ame­ri­ka­ni­schen Admi­rals der US-Navy, Alfred T. Mahan (1840−1914).

Die von Mack­in­der ent­wickel­te Denk­schu­le ist über das 20. Jahr­hun­dert hin­aus Aus­druck und Recht­fer­ti­gung des angel­säch­si­schen wie des US-ame­ri­ka­ni­schen Impe­ria­lis­mus. Die bekann­te­sten geo­stra­te­gi­schen Denk­schu­len der Neu­zeit ori­en­tier­ten sich an den geo­stra­te­gi­schen Axio­men Mack­in­ders und adap­tie­ren die­se: Nicho­las Spyk­man mit der Rim­land-Theo­rie, die rea­li­sti­sche Schu­le von Hen­ry Kis­sin­ger (*1923) und Zbi­ge­niew Brze­ziń­ski (1928−2017), die Neo­kon­ser­va­ti­ven, Karl Haus­ho­fer (1869−1946), Alex­an­der Dugin (*1962), Tho­mas Bar­nett (*1962).

Zum Wir­ken Mack­in­ders und zur Wir­kung des­sen geo­stra­te­gi­scher Axio­me schreibt der fran­zö­si­sche Poli­ti­ker und Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Ayme­ric Chau­pra­de (*1969) in einem Gast­bei­trag auf The Heart­land Blog am 1. Juli 2012:

Der Aus­gangs­punkt von Mack­in­ders Werk ist kaum bekannt und dies ist ver­mut­lich auch kein Zufall. Nach der vor­herr­schen­den Inter­pre­ta­ti­on der Geschich­te trägt allein die deut­sche Geo­po­li­tik die Ver­ant­wor­tung für die bei­den Welt­krie­ge. Es ist also deplat­ziert, dar­auf zu ver­wei­sen, daß das geo­po­li­ti­sche Den­ken Mack­in­ders in erster Linie eine Theo­rie der ras­si­schen Über­le­gen­heit der Angel­sach­sen ist.

Um dies zu ver­ste­hen, muß man das erste wich­ti­ge Buch von Mack­in­der lesen, Bri­tain and The Bri­tish Seas (1902), das kaum bekannt ist. Dem­nach hat die Ver­tei­di­gung des Empire zwei Zie­le: Erstens die Vor­herr­schaft (über den Raum und die Macht) der angel­säch­si­schen Ras­se zu gewähr­lei­sten, nicht nur in Groß­bri­tan­ni­en, son­dern auch in der Gesamt­heit der Domi­ni­ons sowie der Ver­ei­nig­ten Staa­ten; zwei­tens die ande­ren Völ­ker zivi­li­sie­ren und ihnen die über­le­ge­nen Wer­te der Angel­sach­sen bei­brin­gen. “Die ethi­sche Vor­aus­set­zung” der Bri­ten, die Mack­in­der den unmänn­li­chen Völ­kern gegen­über­stellt, lie­ße sich in ihrer “Ener­gie, ihrem hohen Stand an Wis­sen, ihrer Ehr­lich­keit, ihrem Glau­ben” zusam­men­fas­sen. Für Mack­in­der besteht kein Zwei­fel, daß die­se Wer­te direkt mit dem eng­li­schen Blut zusam­men­hän­gen. Weder die Deut­schen noch die Rus­sen, die zu sei­nen bei­den Haupt­geg­nern wer­den, gel­ten als unmänn­lich. Aus die­sem Grund ist die Geschich­te, laut Mack­in­der ein Gip­fel-Kampf zwi­schen den drei männ­li­chen und daher über­le­ge­nen Völ­kern, den Angel­sach­sen, den Deut­schen und den Rus­sen. Dies ist der Hin­ter­grund für die geo­po­li­ti­sche Argu­men­ta­ti­on Mack­in­ders.”

Die von Mack­in­der zur geo­po­li­ti­schen Herr­schafts­me­tho­de erho­be­ne Ras­sen­ideo­lo­gie der Über­le­gen­heit eng­li­schen Blu­tes fußt auf den Annah­men der Pseu­do­wis­sen­schaf­ten der Euge­nik und des Fabia­nis­mus.

An der dar­auf beru­hen­den wahn­haf­ten Selbst­über­hö­hung Mack­in­ders und dem damit ein­her­ge­hen­den bri­ti­schen Herr­schafts­an­spruch lei­det die gan­ze Welt bis heute.

Mit sei­nen Ver­dien­sten um die geo­stra­te­gi­sche Kon­zep­ti­on der bri­ti­schen Welt­po­li­tik erhielt Mack­in­der die Mög­lich­keit der Mit­wir­kung im soge­nann­ten Komi­tee der 300.

Mit­be­grün­der des Komi­tees der 300 im 19. Jahr­hun­dert sind füh­ren­de Ver­tre­ter des US-Ost­kü­sten-Estab­lish­ments. Schon 1904 wur­de – aus jenen Rei­hen initi­iert – eine Ein­rich­tung für “expe­ri­men­tel­le Evo­lu­ti­on” ins Leben geru­fen, die als “Sta­ti­on for Expe­ri­men­tal Evo­lu­ti­on” bezeich­net wur­de. Hin­ter­grund und Auf­ga­ben­stel­lung jener Ein­rich­tung folgt der ari­sto­kra­ti­schen Tra­di­ti­on der “Bevöl­ke­rungs­kon­trol­le”.

Befür­wor­ter der Malthus’schen Idee der Bevöl­ke­rungs­kon­trol­le, J. P. Mor­gan, John D. Rocke­fel­ler, Andrew Car­ne­gie, Cor­ne­li­us Van­der­bilt, waren Auf­trag­ge­ber und stell­ten die erfor­der­li­chen finan­zi­el­len Mit­tel zur Verfügung.

Ab 1910 wur­den auf Ver­an­las­sung von Mrs. E. Harri­man in Cold Spring Har­bor, Long Island, in einem Labor für expe­ri­men­tel­le Evo­lu­ti­on eines Euge­nics Records Office (Büro für Akten der Ras­sen­pfle­ge) Bestre­bun­gen vor­an­ge­trie­ben, die “Über­le­gen­heit der wei­ßen Ras­se” zu ver­bes­sern. Mrs. Harri­man ver­folg­te das Ziel einer welt­wei­ten Kam­pa­gne zur Ste­ri­li­sa­ti­on von “Geschä­dig­ten”, um die Ras­se per­fekt zu machen, um, in ande­ren Wor­ten die Schaf­fung einer Her­ren­ras­se voranzutreiben.

Getrie­ben von den Befürch­tun­gen, von “schwar­zen Mas­sen” über­rannt zu wer­den, ver­gleich­bar mit der Angst der Bri­ten vor den Ein­ge­bo­re­nen, die sie kolo­ni­al beherrsch­ten, wur­den von hier die pseu­do­wis­sen­schaft­li­chen Annah­men der Euge­nik zur Erkennt­nis erho­ben, um die­se zur ope­ra­ti­ven Metho­dik in Bio­po­li­tik, Geo­po­li­tik und psy­cho­lo­gi­scher Kriegs­füh­rung zur welt­wei­ten Herr­schafts­aus­übung zu entwickeln.


Literatur und Quellen:

Chau­pra­de, A. (2012): Hal­ford Mack­in­der und das Heart­land. In: theheartlandblog.wordpress.com. The Heart­land Blog, 1. Juli 2012 (https://web.archive.org/web/20120709173954/http://theheartlandblog.wordpress.com/2012/07/01/halford-mackinder-und-das-heartland).

Cole­man, J. (2015): Die Hier­ar­chie der Ver­schwö­rer. Das Komi­tee der 300. 4. Aufl. 2015, J. K. Fischer, Gelnhausen/​Roth.

Mack­in­der, H. (1902): Bri­tain and the bri­tish seas. D. App­le­ton & Com­pa­ny, New York.

Mack­in­der, H. (1904): The geo­gra­phi­cal pivot of histo­ry (https://www.iwp.edu/docLib/20131016_MackinderTheGeographicalJournal.pdf). The Geo­gra­phi­cal Jour­nal, Vol. 23, No. 4, S. 421–437 dt. Über­set­zung: Der geo­gra­phi­sche Dreh­punkt der Geschich­te. In: Lett­re Inter­na­tio­nal, Aus­ga­be 120, 2018, S. 124–129.

Mack­in­der, H. (1919): Demo­cra­tic ide­als and rea­li­ty, Holt, New York.

Mack­in­der, H. (1962): Demo­cra­tic Ide­als and Rea­li­ty, Washing­ton, DC: Natio­nal Defen­se Uni­ver­si­ty Press 1962, Neu­auf­la­ge 1996, mit einer Ein­füh­rung von Ste­phen V. Mladineo.

Mahan, A. T. (1967): Der Ein­fluß der See­macht auf die Geschich­te, Koeh­ler, Herford.

Meh­lisch, R. (2007): Der letz­te Akt. Die Kriegs­er­klä­rung der Glo­ba­li­sie­rer. Hohen­rain, Tübingen.

Der Autor

Ste­fan Andre­as Gör­litz (*1957) ist Prä­si­dent der Aka­de­mie für Rechts­phi­lo­so­phie und Rechts­ethik und Direk­tor der Abtei­lung Aus­bil­dung und Leh­re. Er ist Dozent für staats­si­mu­la­ti­ves Besat­zungs­recht und Lei­ter des Refe­ra­tes Geo­stra­te­gi­sche Analysen.


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