Die Überwindung des Mackinder-Weltbildes

Heartland-Rimland

Der eura­si­sche Kon­ti­nen­ta­lis­mus über­win­det das Welt­bild des bri­ti­schen Geo­stra­te­gen Hal­ford Mack­in­der durch den Aus­stieg aus der Kon­kur­renz der Natio­nen und der Befrie­dung der Heartland-Theorie.

Der eura­si­sche Kon­ti­nen­ta­lis­mus neu­tra­li­siert das Nar­ra­tiv des Globalisierungszwangs…

Die Überwindung des Mackinder'schen Weltbildes

von Ste­fan Andre­as Gör­litz am 15. Febru­ar 2020

Der eura­si­sche Kon­ti­nen­ta­lis­mus über­win­det das Welt­bild des bri­ti­schen Geo­stra­te­gen Hal­ford Mack­in­der (1904) durch den Aus­stieg aus der Kon­kur­renz der Natio­nen und durch die Befrie­dung der Heartland-Theorie.

Der eura­si­sche Kon­ti­nen­ta­lis­mus neu­tra­li­siert das Nar­ra­tiv des Globalisierungszwangs.

Der durch Des­in­te­gra­ti­on und Emi­gra­ti­on inter­na­tio­na­li­sier­ten Debat­te um die Denk­ge­set­ze des soge­nann­ten Wie­ner Krei­ses zu den The­men Wis­sen­schafts­phi­lo­so­phie, logi­scher Empi­ris­mus und Ein­heits­wis­sen­schaft bemäch­tig­te sich der anglo-ame­ri­ka­ni­sche mili­tär­in­du­stri­el­le Kom­plex über ver­schie­de­ne Denk­fa­bri­ken. Hier wur­de das Nar­ra­tiv des alter­na­tiv­lo­sen Glo­ba­li­sie­rungs­zwangs entwickelt.

Der der Hege­mo­nie eli­tä­rer Finanz­krei­se die­nen­de empi­ri­stisch behaup­te­te Sophis­mus vom "geschei­ter­ten Staat" demon­tiert das Selbst­be­stim­mungs­recht der Völ­ker, Eth­ni­en, Natio­nen und ist Motiv für den exe­ku­tie­ren­den, sou­ve­rä­ni­täts­zer­set­zen­den Menschenrechts‑, Demo­kra­tie- und Frei­heits­export welt­weit agie­ren­der Kakistokraten.

Empi­ri­sche Beob­ach­tungs­sät­ze hal­ten seit­her für die Dok­tri­nen von vor­weg­ge­nom­me­ner Not­wehr, krea­ti­ver Ver­nich­tung und dem Welt­frie­den die­nen­der "Mili­tär­dienst­lei­stun­gen" her.

Die sophi­sti­schen Nar­ra­ti­ve zu geschei­ter­ten Staa­ten wie auch zu Glo­ba­li­sie­rungs­zwän­gen set­zen an die Stel­le sou­ve­rä­ner Staat­lich­keit Fir­men­kon­struk­te, die sich im pri­va­ten Han­dels­recht bewegen.

Die Nicht­staat­lich­keit von Eigen­tum, Han­del und Wirt­schaft ist Vor­aus­set­zung für Wirt­schafts­li­be­ra­lis­mus und Globalisierung.

Der damit ver­bun­de­ne Trans­for­ma­ti­ons­pro­zeß kann welt­weit beob­ach­tet wer­den. Er ist gekenn­zeich­net durch "frie­den­stif­ten­de" mili­tä­ri­sche Gewalt­aus­übung und durch die Bemü­hun­gen, den betrof­fe­nen Völ­kern ihr Bewußt­sein über ihre Geschich­te zu entziehen.

Eura­si­en bedarf der Ver­ein­ba­rung einer Raum­ord­nung in "Unab­hän­gig­keit von eines ande­ren nöti­gen­der Will­kür" (Imma­nu­el Kant)

Die Kon­fe­renz über Sicher­heit und Zusam­men­ar­beit in Eura­si­en ist Aus­druck des Bemü­hens um einen eura­si­schen Kon­ti­nen­ta­lis­mus als Rah­men­be­din­gung zur Ent­wick­lung aut­ar­ker Volks­wirt­schaf­ten im Schoß einer eura­si­schen Raum­ord­nung, in der Sicher­heit eines Inter­ven­ti­ons­ver­bo­tes für raum­frem­de Mächte.

Die Heartland-Theorie

Der bri­ti­sche Geo­graph Hal­ford Mack­in­der ist Urhe­ber der geo­po­li­ti­schen und geo­stra­te­gi­schen Heart­land-Theo­rie. 1904 legt er sei­ne Denk­schrift "The geo­gra­phi­cal pivot of histo­ry" der Roy­al Geo­gra­phi­cal Socie­ty vor und ver­öf­fent­licht sie spä­ter in sei­nem Werk "Demo­cra­tic Ide­als and Rea­li­ty".

In sei­ner Ana­ly­se nimmt er eine ver­glei­chen­de Bewer­tung von Land­macht und See­macht vor und bezieht die Bedeu­tung von Geo­gra­phie, Tech­nik, Wirt­schaft, Indu­strie sowie Roh­stoff- und Bevöl­ke­rungs­res­sour­cen ein. Das Ergeb­nis sei­ner Unter­su­chung, die Heart­land-Theo­rie, ver­öf­fent­licht er in der Besorg­nis über den abseh­ba­ren Ver­lust bri­ti­scher Domi­nanz in der Welt.

Mack­in­der glie­dert die Regio­nen der Erde und lei­tet dar­aus macht­po­li­ti­sche Not­wen­dig­kei­ten für den Erhalt der welt­wei­ten Domi­nanz Groß­bri­tan­ni­ens ab. Er ord­net die von ihm ein­ge­teil­ten Regio­nen der Erde rea­len wie auch denk­ba­ren Ein­fluß-Sphä­ren zu. Er ver­gibt eine Freund-Feind-Ken­nung und ver­knüpft die­se mit zweck­dien­li­chen, auf Hege­mo­nie­si­che­rung beru­hen­den Bedro­hungs­fik­tio­nen – die Geburts­stun­de einer geo­stra­te­gi­schen Methodenlehre:

Selek­ti­ve Sach­ver­halts­dar­stel­lun­gen model­lie­ren hypo­the­ti­sche Bedro­hungs­la­gen, um sophi­stisch begrün­de­te Bedarfs­ent­schei­dun­gen zu ver­an­las­sen, mit denen fik­ti­ons­ge­recht ver­bor­ge­ne Inter­es­sen bedient werden.

Zitat aus dem Buch von Gui­do Gia­co­mo Pre­pa­ra­ta "Wer Hit­ler mäch­tig machte":

"Die The­se die­ses Buches unter­stellt, daß über einen Zeit­raum von 15 Jah­ren (1919−1933) die angel­säch­si­schen Eli­ten in der deut­schen Poli­tik in der bewuß­ten Absicht her­um­pfusch­ten, eine reak­tio­nä­re Bewe­gung zu errei­chen, um sie dann als Bau­er in ihrem intri­gan­ten geo­po­li­ti­schen Schach­spiel aufzustellen…

Mit Klubs und Eli­ten mei­ne ich die eta­blier­ten, sich selbst erhal­ten­den Bru­der­schaf­ten, die das angel­säch­si­sche Com­mon­wealth beherrsch­ten. Die­se wer­den (und sind noch) zusam­men­ge­setzt aus Dyna­stie­ab­kömm­lin­gen von Bank­häu­sern, dem diplo­ma­ti­schen Corps, der Offi­ziers­ka­ste und der Regie­rungs­ari­sto­kra­tie, die immer noch fest ein­ge­wo­ben sind in das kon­sti­tu­tio­nel­le Gewe­be der moder­nen "Demo­kra­tien". Die­se "Klubs" han­deln, herr­schen, züch­ten und den­ken wie eine kom­pak­te Olig­ar­chie und koop­tie­ren die Mit­tel­klas­se, um sie als Fil­ter und Puf­fer zwi­schen sich und ihrem Kano­nen­fut­ter zu benut­zen: den Gemei­nen. Tat­säch­lich stellt die seg­men­tier­te Wäh­ler­schaft in soge­nann­ten "demo­cra­tic con­sti­tuen­ci­es" […] das sub­til­ste Modell olig­ar­chi­scher Herr­schaft dar, in der die Wahl­be­rech­tig­ten kei­ner­lei Ein­fluß aus­üben kön­nen und poli­ti­sche Fer­tig­keit nichts als ein ande­rer Aus­druck für die Macht der Über­re­dung ist, die nötig ist, um für (wich­ti­ge) Ent­schei­dun­gen, die bereits anders­wo gefällt wor­den sind, "Kon­sens zu erzie­len". "

Die "Weltinsel" und das "Heartland"

Der von Mack­in­der als "Welt­in­sel" bezeich­ne­ten Regi­on ord­net die­ser die zusam­men­hän­gen­den Land­mas­sen Euro­pas, Asi­ens und Afri­kas zu. Damit bezeich­net er die flä­chen­mä­ßig größ­te, die bevöl­ke­rungs­stärk­ste sowie die in jeder Hin­sicht reich­ste aller mög­li­chen Kom­bi­na­tio­nen der Län­der der Erde.

Das im Zen­trum der "Welt­in­sel" lie­gen­de "Heart­land" (Pivot Area) reicht von der Wol­ga bis zum Jang­tse­kiang und vom Hima­la­ya zur Ark­tik. Zum Zeit­punkt der Ana­ly­se Mack­in­ders im Jahr 1904 wur­de das Gebiet des "Heart­land" ohne die Halb­in­sel Kamt­schat­ka vom Rus­si­schen Reich regiert, spä­ter von der Sowjetunion.

Heartland nach MackinderAbb. 1: Arn­ope­ters – Eige­nes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20583810

Im Wei­te­ren bezeich­net Mack­in­der die halb­mond­för­mig ange­ord­ne­ten küsten­na­hen Inseln als soge­nann­ten inne­ren Halb­mond (Inner or mar­gi­nal cre­s­cent). Die küsten­fer­nen im Halb­mond ange­ord­ne­ten Inseln bezeich­ne­te er als soge­nann­ten äuße­ren Halb­mond (Lands of outer or insu­lar cre­s­cent). Hier­zu zählt er den ame­ri­ka­ni­schen Dop­pel­kon­ti­nent, Groß­bri­tan­ni­en, Japan, Austra­li­en und Neuseeland.

Die­se Staa­ten rech­net er den See­mäch­ten zu, deren Auf­ga­be dar­in besteht, die eura­si­sche Land­mas­se zu überwachen.

Mack­in­der stellt im Zusam­men­hang mit sei­ner Heart­land-Theo­rie das Ende des kolum­bia­ni­schen Zeit­al­ters (Colum­bi­an era) fest. Er bezeich­net mit die­ser Fest­stel­lung den Umstand der voll­stän­di­gen Ent­deckung der Erd­ober­flä­che und deren Ein­tei­lung in Macht- und Einfluß-Sphären.

Bis in die­se Zeit tritt Groß­bri­tan­ni­en als unan­ge­foch­ten domi­nie­ren­de Groß­macht mit Welt­gel­tung auf. Die tat­säch­lich bestehen­de bri­ti­sche Kon­trol­le über die Welt­mee­re ermög­licht Groß­bri­tan­ni­en zu die­ser Zeit eine uni­ver­sa­le Hegemonie.

Die Heart­land-Theo­rie wird zur offi­zi­el­len außen­po­li­ti­schen Dok­trin Groß­bri­tan­ni­ens. Damit bekennt sich das Ver­ei­nig­te König­reich zu sei­ner mate­ria­li­stisch gepräg­ten außen­po­li­ti­schen Dok­trin. Mit der Heart­land-Theo­rie ent­hüllt die See­macht Groß­bri­tan­ni­en ihren Wett­lauf um Ter­ri­to­ri­en und Ressourcen.

Mit den auf­kom­men­den Tech­no­lo­gien der Moder­ne, der Dampf­ma­schi­nen­tech­nik und der rasch fort­schrei­ten­den Ent­wick­lung von Ver­bren­nungs­mo­to­ren, ver­liert die Kon­trol­le über die Welt­mee­re ihre Effek­ti­vi­tät hin­sicht­lich der Auf­recht­erhal­tung uni­ver­sa­ler bri­ti­scher Hegemonie.

Effek­ti­ve Han­dels­we­ge waren nun auch zu Land über sich schnell ent­wickeln­de Stra­ßen- und Schie­nen­net­ze kon­kur­renz­fä­hig mög­lich. Die Ent­ste­hung neu­er indu­stri­el­ler und wirt­schaft­li­cher Potenz im Wett­be­werb zum bri­ti­schen See­han­del muß­te die Fol­ge sein.

Mack­in­der erkann­te in die­sen neu­en Mög­lich­kei­ten den wahr­schein­li­chen Ver­lust bri­ti­scher Hege­mo­nie, dem es prä­ven­tiv ent­ge­gen­zu­tre­ten galt. Unter Anwen­dung der Heart­land-Theo­rie auf die wahr­schein­li­che Ent­ste­hung kon­kur­renz­fä­hi­ger Land­mäch­te wur­den die Land­mäch­te – unter ver­glei­chen­der Bewer­tung zur See­macht – zu einer unter allen Umstän­den zu bekämp­fen­den Feind­grö­ße bri­ti­scher Außenpolitik.

Mit der ortho­do­xen geo­po­li­ti­schen Dok­trin der mate­ria­li­stisch gepräg­ten Poli­tik des bri­ti­schen Com­mon­wealth in Gestalt der Heart­land-Theo­rie wirkt Groß­bri­tan­ni­en bis in unse­re Tage. Sei­ne poli­ti­schen Erben, die Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka, begrün­den ihre inter­na­tio­na­le Poli­tik bis heu­te auf der Grund­la­ge und im Gei­ste der geo­po­li­ti­schen Vor­stel­lun­gen Mackinders.

An der Schwel­le zum 20. Jahr­hun­dert war dies bereits eine "abge­mach­te Sache".

Der bri­ti­sche Alp­traum jener Tage und bis in unse­re Tage besteht in der Vor­stel­lung, daß im "Herz­land" des eura­si­schen Kon­ti­nents, das heißt im Raum West­si­bi­ri­ens und des euro­päi­schen Ruß­lands, Ver­kehrs­we­ge ent­wickelt wer­den, die in der Kon­se­quenz die Ent­wick­lung von Indu­strien und damit von wirt­schaft­li­cher Potenz ermöglichen.

Eine neue Kon­ti­nen­tal­macht, der die tech­ni­schen Errun­gen­schaf­ten der Moder­ne zur Ver­fü­gung stün­den, wäre nach bri­ti­scher Den­kungs­art eine Gefahr, da sie befä­higt wäre, ihre Herr­schaft nicht nur über das "Herz­land", son­dern über die gesam­te "Welt­in­sel" auszudehnen.

Mack­in­der for­mu­lier­te dies als einen sei­ner bedeu­tend­sten Leitsätze:

"Who rules Eastern Euro­pe com­mands the Heartland.
Who rules the Heart­land com­mands the World Island.
Who rules the World Island com­mands the World."

deutsch:

"Wer über Ost­eu­ro­pa herrscht, beherrscht das Herzland.
Wer über das Herz­land herrscht, beherrscht die Weltinsel.
Wer über die Welt­in­sel herrscht, beherrscht die Welt."

Die Beherr­schung der Roh­stoff- und Bevöl­ke­rungs­res­sour­cen der "Welt­in­sel" wür­de nach bri­ti­scher Inter­pre­ta­ti­on zuneh­mend auch die Beherr­schung der kon­ti­nen­ta­len Rand­län­der zur Fol­ge haben.

In fik­ti­ver Fort­füh­rung die­ser Annah­me model­lie­ren sich die bri­ti­schen Geo­stra­te­gen eine hypo­the­ti­sche Bedro­hungs­la­ge, in deren Ver­lauf eine der­art auf­ge­stell­te Macht über die "Welt­in­sel" schritt­wei­se die Hege­mo­nie über den ame­ri­ka­ni­schen und austra­li­schen Kon­ti­nent sowie über Japan errin­gen würde.

Die Gründung des rechtseinheitlichen Gebietes deutschen Rechtes 1871

Mit der Grün­dung des Deut­schen Kai­ser­rei­ches 1871 trat ein "Stör­fak­tor" und bedroh­li­cher Kon­kur­rent für die welt­wei­te bri­ti­sche Hege­mo­nie auf dem geo­stra­te­gi­schen Schach­brett jener Zeit auf.

Dem Kai­ser­reich, der jun­gen euro­päi­schen Groß­macht, war das geo­stra­te­gi­sche Hege­mo­nie­den­ken und die dar­auf beru­hen­den welt­weit unter­hal­te­nen Rän­ke fremd. Aus deut­scher Sicht wur­de mit der Grün­dung des Kai­ser­rei­ches 1871 in erster Linie "ein ewi­ger Bund zum Schut­ze des Bun­des­ge­bie­tes und des inner­halb des­sel­ben gül­ti­gen Rechts sowie zur Pfle­ge der Wohl­fahrt des Deut­schen Vol­kes" geschlos­sen. Tat­säch­lich ging es um die Schaf­fung des rechts­ein­heit­li­chen Gebie­tes deut­schen Rech­tes unter Aus­schluß des bri­ti­schen See­rech­tes und des bri­ti­schen Handelsrechtes.

Damit löste sich der Staa­ten­bund Deut­sches Reich aus der welt­wei­ten Hege­mo­nie des bri­ti­schen See- und Han­dels­rech­tes her­aus. – Die­ses Vor­recht besteht bis auf den heu­ti­gen Tag für das Ter­ri­to­ri­um des Deut­schen Rei­ches fort.

"Das unver­zeih­li­che Ver­bre­chen Deutsch­lands vor dem Zwei­ten Welt­krieg war der Ver­such, sei­ne Wirt­schafts­kraft aus dem Welt­han­dels­sy­stem her­aus­zu­lö­sen und ein eige­nes Aus­tausch­sy­stem zu schaf­fen, bei dem die Welt­fi­nanz nicht mit­ver­die­nen konn­te." (Win­s­ton Chur­chill, Memoiren)

Die Heartland-Theorie als außenpolitische Doktrin

Die See­macht Groß­bri­tan­ni­en über­nahm die Heart­land-Theo­rie als offi­zi­el­le außen­po­li­ti­sche Dok­trin. Bis in unse­re Tage dient sie bri­ti­schen und US-ame­ri­ka­ni­schen Geo­stra­te­gen dazu, unter fik­ti­ven Annah­men hypo­the­ti­sche Bedro­hungs­la­gen zu model­lie­ren und hege­mo­nia­les Vor­ge­hen zu rechtfertigen.

Eine zweck­dien­li­che Hypo­the­se Mack­in­ders dien­te den West­mäch­ten als sophi­sti­sche Grund­la­ge zur Begrün­dung der Not­wen­dig­keit, den deut­schen Kon­ti­nen­tal­kon­kur­ren­ten aus­lö­schen zu müssen:
Wäre die gesam­te Kraft des Deut­schen Rei­ches auf die Beherr­schung des Ostens, des "Herz­lands" aus­ge­rich­tet wor­den, hät­te die Mög­lich­keit bestan­den, von dort aus die "Welt­in­sel" zu beherr­schen und die Stütz­punk­te der See­mäch­te von der Land­sei­te aus zu neutralisieren.

Mack­in­der war der Mei­nung, daß die atlan­ti­schen Mäch­te durch den Ersten Welt­krieg nur vor­über­ge­hend und nicht end­gül­tig die­ser Gefahr ent­gan­gen sind.

Die­se theo­re­ti­schen Ansät­ze Mack­in­ders sind zwar aus Sicht der Hege­mo­nie ver­pflich­te­ter Geo­stra­te­gen zweck­dien­lich, in der Sache aber ober­fläch­lich und grob fahr­läs­sig ver­ein­facht in ihrer Darstellung.

Der US-ame­ri­ka­ni­sche Poli­tik­wis­sen­schaft­ler C. Dale Walt­on stellt hier­zu fest, daß der Macht­zu­wachs der Ver­ei­nig­ten Staa­ten und deren neue Stel­lung als Garant der euro­päi­schen Sicher­heit vor­her­seh­bar gewe­sen ist, selbst wenn euro­päi­sche Land­mäch­te einer Kon­trol­le des Herz­lan­des im 20. Jahr­hun­dert nahe gewe­sen seien.

Auch die Mög­lich­keit der See­mäch­te, mit einem Inno­va­ti­ons­schub auf die dyna­mi­schen Ent­wick­lung der tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten der Land­mäch­te zu reagie­ren, ließ Mack­in­der außer Acht. Den Beweis die­ser Mög­lich­kei­ten haben die See­mäch­te mit den nuklea­ren und ther­mo­nu­klea­ren Waf­fen, mit der Ent­wick­lung von Lang­strecken­bom­bern und von land- und see­ge­stütz­ten Lang­strecken­ra­ke­ten angetreten.

Kontinuität anglo-amerikanischer Geopolitik

Der US-ame­ri­ka­ni­sche Geo­graph Nicho­las J. Spyk­man begrün­de­te die von ihm auf­ge­stell­ten The­sen kurz vor Ein­tritt der Ver­eing­ten Staa­ten in den Zwei­ten Welt­krieg mit dem Para­dig­ma von der "Welt­in­sel" nach Mackinder.

Spyk­man for­mu­lier­te für die USA die Not­wen­dig­keit, die Kon­trol­le der Welt­in­sel durch das nord­asia­ti­sche Herz­land in jedem Fall ver­hin­dern zu müs­sen, um sich als See­macht Unab­hän­gig­keit und Sicher­heit zu erhalten.

Die Eth­ni­en, Völ­ker und Natio­nen Eura­si­ens, haben erkannt, daß die Auf­recht­erhal­tung des Kriegs­zu­stan­des lan­ge über den Zeit­punkt der Ein­stel­lung der Kampf­hand­lun­gen hin­aus und bis heu­te auf der Ver­ab­re­dung der Alli­ier­ten Kriegs­ko­ali­tio­nä­re, auf Ver­an­las­sung inter­na­tio­nal agie­ren­der Kriegs­ge­winn­ler und Pro­fi­teu­re im Wirt­schafts- und Finanz­we­sen beruht.

Unab­ding­bar ist die Been­di­gung des zwei­ten Welt­krie­ges durch Ver­ein­ba­rung eines Friedensvertrages.

Die unter dem Ein­druck der mili­tä­ri­schen Okku­pa­ti­ons­ge­walt anglo-ame­ri­ka­ni­scher Macht­in­ter­es­sen betrie­be­ne Besei­ti­gung des Völ­ker­bun­des und die Grün­dung der Ver­ein­ten Natio­nen sowie die aus­schließ­lich öko­no­mi­schen und macht­po­li­ti­schen Inter­es­sen die­nen­de mili­tä­ri­sche Beset­zung Mit­tel­eu­ro­pas bil­den die Rah­men­be­din­gun­gen für eine tat­säch­li­che Inter­ven­ti­ons­be­set­zung Eurasiens.

Die Wirk­lich­keit ist ein unge­heu­er­li­cher Raub­frie­den unter ver­deck­tem Kriegsrecht.

Beu­te­recht gilt aber nur wäh­rend des Krie­ges. Daher ist die sou­ve­rä­ni­täts­zer­set­zen­de Ent­staat­li­chung durch Ver­un­treu­ung, Über­tra­gung oder Auf­ga­be natio­na­ler Rech­te die Vor­aus­set­zung zur glo­ba­li­sie­ren­den Gleich­schal­tung und für die Macht­er­grei­fung der tat­säch­li­chen Fein­de der Men­schen Eurasiens.

Zur Frie­dens­si­che­rung über die Lage­be­herr­schung hin­aus gilt es, eine bis­her noch nie gedach­te Raum­ord­nung zu ent­wickeln mit Inter­ven­ti­ons­ver­bot für raum­frem­de Mächte.


Literatur und Quellen

Chau­pra­de, A. (2012): Russ­land, wich­tig­stes Hin­der­nis auf dem Weg zum "glo­ba­len Ame­ri­ka". In: le-bohemien.net. Le Bohé­mi­en, 17. Juni 2012 (https://web.archive.org/web/20120619203008/http://le-bohemien.net/2012/06/17/geopolitik), am 22. März 2015 auf le-bohemien.net erneut veröffentlicht.

Chau­pra­de, A. (2012): Hal­ford Mack­in­der und das Heart­land. In: the­he­art­land­blog. wordpress.com. The Heart­land Blog, 1. Juli 2012 (https://web.archive.org/web/20120709173954/http://theheartlandblog.wordpress.com/2012/07/01/halford-mackinder-und-das-heartland).

Mack­in­der, H. (1902): Bri­tain and the bri­tish seas. D. App­le­ton & Com­pa­ny, New York.

Mack­in­der, H. (1904): The geo­gra­phi­cal pivot of histo­ry (https://www.iwp.edu/docLib/20131016_MackinderTheGeographicalJournal.pdf). The Geo­gra­phi­cal Jour­nal, Vol. 23, No. 4, S. 421–437 dt. Über­set­zung: Der geo­gra­phi­sche Dreh­punkt der Geschich­te. In: Lett­re Inter­na­tio­nal, Aus­ga­be 120, 2018, S. 124–129.

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Mack­in­der, H. (1962): Demo­cra­tic Ide­als and Rea­li­ty, Washing­ton, DC: Natio­nal Defen­se Uni­ver­si­ty Press 1962, Neu­auf­la­ge 1996, mit einer Ein­füh­rung von Ste­phen V. Mladineo.

Mahan, A. T. (1967): Der Ein­fluß der See­macht auf die Geschich­te, Koeh­ler, Herford.

Pre­pa­ra­ta, G. G. (2010): Wer Hit­ler mäch­tig mach­te. Taschen­buch, 3. Aufl., Perseus.

Walt­on, C. D. (2008): Geo­po­li­tics and the Powers of the Twen­ty-First Cen­tu­ry: Mul­ti­po­la­ri­ty and the revo­lu­ti­on in stra­te­gic per­spec­ti­ve, Rout­ledge: Abing­don 2008.


Links

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Chau­pra­de, A. (2012): Hal­ford Mack­in­der und das Heart­land. In: theheartlandblog.wordpress.com. The Heart­land Blog, 1. Juli 2012 (https://web.archive.org/web/20120709173954/http://theheartlandblog.wordpress.com/2012/07/01/halford-mackinder-und-das-heartland).

KSZEu – Kon­fe­renz über Sicher­heit und Zusam­men­ar­beit in Eura­si­en: https://kszeu.net


Der Autor

Ste­fan Andre­as Gör­litz (*1957) ist Prä­si­dent der Aka­de­mie für Rechts­phi­lo­so­phie und Rechts­ethik und Direk­tor der Abtei­lung Aus­bil­dung und Leh­re. Er ist Dozent für staats­si­mu­la­ti­ves Besat­zungs­recht und Lei­ter des Refe­ra­tes Geo­stra­te­gi­sche Analysen.


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