PEBB§Y: die Dalli-Dalli-5-Minuten-Justiz

Nein, PEBB§Y ist kei­ne cof­fein­hal­ti­ge Brau­se­li­mo­na­de, wie man viel­leicht den­ken könn­te, wenn man den Begriff ledig­lich hört.

Offen­sicht­lich han­delt es sich bei PEBB§Y um etwas ande­res. Und das Para­gra­phen­zei­chen deu­tet dar­auf hin, daß PEBB§Y etwas mit der Justiz zu tun haben muß.

PEBB§Y ist das Akro­nym für Perso­nalbedarfsbere­ch­nungssystem. Die offi­zi­el­le Bezeich­nung lau­tet: Erar­bei­tung eines Systems der Per­so­nal­be­darfs­be­rech­nung für den rich­ter­li­chen, staats­an­walt­li­chen und Rechts­pfle­ger­dienst in der ordent­li­chen Gerichts­bar­keit.

PEBB§Y ist ein im im Jahr 2001 von der Unter­neh­mens­be­ra­tungs­ge­sell­schaft Arthur Ander­sen Busi­ness Con­sul­ting GmbH ent­wickel­tes Ver­fah­ren eben zur Per­so­nal­be­darfs­be­rech­nung in deut­schen Justiz­be­hör­den.

Seit 2005 ist PEBB§Y das aktu­el­le System für die Per­so­nal­be­darfs­pla­nung der BRD-Landesjustizverwaltungen. 

Wie wird der Personalbedarf ermittelt?

Die Per­so­nal­be­darfs­be­rech­nung nach dem PEBB§Y‑Verfahren beruht auf der durch die Unter­neh­mens­be­ra­tungs­ge­sell­schaft Arthur Ander­sen Busi­ness Con­sul­ting GmbH ermit­tel­ten For­mel für die durch­schnitt­li­che und in Minu­ten dar­ge­stell­te Bear­bei­tungs­zeit für ein­zel­ne Ver­fah­rens­ar­ten.

D
er Per­so­nal­be­darf berech­net sich nach fol­gen­der Formel:

Men­ge x Basis­zahl ./​. durch Jah­res­ar­beits­zeit (in Minu­ten) = Per­so­nal­be­darf

Die Basis­zahl lässt sich in eine Bewer­tungs­zahl für das ein­zel­ne Geschäft, d. h. die Anzahl der Tätig­kei­ten, die von einem Rich­ter, Staats­an­walt oder Rechts­pfle­ger in einem Jahr zu erle­di­gen sind, umrechnen:

Bewer­tungs­zahl = Jah­res­ar­beits­zeit (in Minu­ten) ./​. durch Basis­zahl

Die Jah­res­ar­beits­mi­nu­ten betru­gen für Ber­lin im Jahr 2016 im Durch­schnitt 93.776 min. Die­ser Wert beinhal­tet zum einen die Tätig­kei­ten von Rich­tern, Staats­an­wäl­ten und Amts­an­wäl­ten, zum ande­ren die Tätig­kei­ten von Mit­ar­bei­tern im geho­be­nen Dienst, den soge­nann­ten Rechts­pfle­gern sowie von Mit­ar­bei­tern im mitt­le­ren Dienst und im Schreibdienst.

Was bedeutet das in der Praxis?

Auf­grund der o. b. Berech­nun­gen sind für die ein­zel­nen Dienst­ge­schäf­te der Rich­ter, Staats­an­wäl­te und Rechts­pfle­ger Minu­ten­an­sät­ze fest­ge­legt wor­den, die für die Bear­bei­tung einer Ange­le­gen­heit vor­ge­ge­ben sind.

So gel­ten für einen Rich­ter fol­gen­de Minu­ten­wer­te für die Bear­bei­tung von Rechts­an­ge­le­gen­hei­ten, hier eini­ge Bei­spie­le:

Durch­su­chungs­be­schluß – 35 min.

Buß­geld­sa­che – 39 min.

Straf­sa­che – bis 2,5 Std.

Schöf­fen­sa­che bis 7,5 Std.

Das hat mit der Rechts­wirk­lich­keit nichts zu tun.

Fragt man nach, so spre­chen die Justiz­ver­wal­tun­gen ledig­lich von einer Misch­kal­ku­la­ti­on, ohne die­se jedoch zu offenbaren.

Die Folgen von PEBB§Y

Die Minu­ten­vor­ga­ben nach dem PEBB§Y‑Verfahren bewir­ken, daß Urtei­le mit der hei­ßen Nadel gestrickt wer­den.

PEBB§Y ver­hin­dert, daß Rich­ter /​ Staats­an­wäl­te qua­li­ta­tiv hoch­wer­tig arbei­ten kön­nen, sofern sie dies in die­sem BRD-Unrecht­sy­stem über­haupt noch kön­nen bzw. wol­len.

Vie­le Rich­ter und Staats­an­wäl­te arbei­ten bis zu 100 Stun­den pro Woche, "opfern" ihre Wochen­en­den und arbei­ten zuhau­se wei­ter.

Es stellt sich da die Fra­ge, was die­ses gan­ze Getue bezüg­lich Daten­schutz noch soll, wenn die Akten nicht mehr bei Gericht blei­ben, son­dern in irgend­wel­chen rich­ter­li­chen oder staats­an­walt­li­chen Wohn­zim­mern oder Heim­bü­ros gesta­pelt wer­den.

Hin­zu kommt, daß die Rich­ter nach dem Gesetz, genau gesagt nach Art. 97 Abs. 1 GG, unab­hän­gig sind. Das heißt, Rich­ter müs­sen am PEBB§Y‑Verfahren gar nicht teil­neh­men, wenn sie dies nicht wol­len.

Wo bleibt die rich­ter­li­che Unab­hän­gig­keit, wenn sie sich – wie die wei­sungs­ge­bun­de­nen Staats­an­wäl­te, Rich­ter auf Pro­be und Rechts­pfle­ger – für die Arbeits­vor­ga­ben nach PEBB§Y instru­men­ta­li­sie­ren las­sen?

Durch die Über­la­stung der Rich­ter und Staats­an­wäl­te blei­ben "Fäl­le" lie­gen, lau­fen Fri­sten ab, Straf­tä­ter müs­sen frei­ge­las­sen wer­den.

Buß­geld­ver­fah­ren hin­ge­gen wer­den von den Gerich­ten gna­den­los ver­folgt. Da greift die gan­ze Här­te des "Rechts­staa­tes". Baga­tel­len wer­den gna­den­los voll­streckt → bis zur Erzwin­gungs­haft. Dabei kostet ein Haft­platz pro Tag 70,- bis 80,- Euro.

OWiG-Sachen las­sen sich gut ver­fol­gen; Buß­gel­der sind eine lukra­ti­ve Ein­nah­me­quel­le für Gerich­te und Behör­den.

Im Jahr 2014 wur­den über die Justiz rund 860 Mio. Euro an Buß­gel­dern ein­ge­nom­men, Gerichts- und Ver­fah­rens­ge­büh­ren nicht mitgerechnet.

Vorläufiges Fazit:

Rich­ter, Staats­an­wäl­te, Rechts­pfle­ger etc., die nach PEBB§Y‑Vorgaben arbei­ten, kön­nen sich mit dem Sach­vor­trag tat­säch­li­cher Art nicht mehr aus­ein­an­der­set­zen, weil sie die Zeit dazu nicht haben, da sie gezwun­gen sind, nach Minu­ten-Vor­ga­ben zu arbei­ten.

Da wird ein sub­stan­ti­iert vor­ge­tra­ge­ner Sach­ver­halt tat­säch­li­cher Art, z. B. in Form einer Anhö­rungs­rü­ge, nur all­zu ger­ne in eine Beschwer­de umge­deu­tet. Für die soge­nann­te Beschluß­fas­sung wer­den vor­ge­fer­tig­te Text­bau­stei­ne vewen­det, die dem "Erken­nen­den" bei sei­ner "Malen-nach-Zah­len-Arbeits­me­tho­de" hel­fen, die PEBB§Y‑Vorgaben ein­zu­hal­ten.

Dies führt zwangs­läu­fig zu Fehl­ent­schei­dun­gen und Will­kür­maß­nah­men.

Da bleibt mir nur noch eine Fest­stel­lung: Sub omni cano­ne!

Mehr zum The­ma PEBB§Y und dem Zähl­kar­ten-Wett­be­werb eines ver­ei­nig­ten Jur-Pfusch-Syn­di­kats erfah­ren Sie dem­nächst auf unse­ren Sei­ten.

Bis dahin emp­feh­le ich Ihnen den Video-Bei­trag mit Dr. Patrick Burow, sei­nes Zei­chens Rich­ter am Amts­ge­richt Des­sau und Autor des Buches "Justiz am Abgrund – ein Rich­ter klagt an". 

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